Wir haben mit Alexander Menz gesprochen, Doktorand an der RWTH Aachen, der im Rahmen unseres Programms seine Forschung „Zukunftsfähiges Management von Stauseesystemen“ durchführt. Er erklärte uns, wie seine Arbeit am Rur-Stauseesystem durch KI-gestützte Optimierung, Zusammenarbeit mit regionalen AkteurInnen und adaptiven Strategien zu einem klimaresilienten Wassermanagement beitragen kann – indem konkurrierende Anforderungen wie Hochwasserschutz, Wasserversorgung und Ökologie grenzüberschreitend in Einklang gebracht werden.
Können Sie kurz das Hauptthema Ihrer Doktorarbeit beschreiben?
Meine Forschung beschäftigt sich damit, wie Stauseesysteme unter den Bedingungen des Klimawandels sowie sich wandelnder gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Anforderungen widerstandsfähiger, nachhaltiger und zukunftssicher betrieben werden können. Im Mittelpunkt steht die Entwicklung, Bewertung und Optimierung von Betriebsstrategien, die mehrere, teils konkurrierende, Ziele gleichzeitig berücksichtigen: Hochwasserschutz, Trinkwasserversorgung, Energieerzeugung, Ökologie, Erholung und öffentliche Dienstleistungen.
Das Projekt konzentriert sich auf das Rur-Stauseesystem in der Nordeifel, das für die internationalen Einzugsgebiete von Rur und Maas eine zentrale hydrologische Bedeutung hat. Angesichts zunehmender Extremwetterereignisse, demografischer und landwirtschaftlicher Veränderungen sowie wachsender ökologischer Anforderungen wird die Anpassung der bislang überwiegend erfahrungsbasierten Betriebsregeln immer dringlicher.
Ziel ist es, die Belastbarkeit dieser Regeln zu überprüfen und sie in ein modernes, bedarfsorientiertes Managementmodell zu überführen. Methodisch kombiniere ich klassische numerische Modellierung mit KI-gestützter Optimierung und einem engen Austausch mit regionalen Stakeholdern, um ein praxisnahes und übertragbares Regelwerk zu entwickeln.
Was hat Sie motiviert, zu promovieren, und warum gerade in diesem Forschungsfeld?
Mich fasziniert die Wasserwirtschaft als Schnittstelle von Technik, Umwelt und Gesellschaft. Während meines Studiums der Umwelttechnik wurde mir bewusst, welch zentrale Rolle sie beim Umgang mit Klimawandel und Extremereignissen spielt. Der steigende Bedarf an einer nachhaltigen und resilienten Nutzung der Wasserressourcen verlangt innovative, zugleich praxisnahe Lösungen. Besonders spannend finde ich die Verbindung aus technischer Analyse, konkreten Handlungsempfehlungen und der direkten Zusammenarbeit mit Akteuren wie dem Wasserverband Eifel-Rur. Der internationale Kontext meiner Forschung macht zudem deutlich: Wasser kennt keine Grenzen. Um die Herausforderungen der Zukunft gemeinsam zu meistern, sind kooperative, wissenschaftlich fundierte Ansätze notwendig – genau dazu möchte ich mit meiner Promotion beitragen.
Liegt Ihr Forschungsschwerpunkt in einem bestimmten geografischen Gebiet?
Ja, der Fokus liegt auf dem Rur-Stauseesystem in der Nordeifel. Dazu gehören die Stauseen Wehebach, Kall, Dreilägerbach, Urft, Olef und Rur – alle auf deutscher Seite, jedoch von großer hydrologischer und strategischer Bedeutung für das gesamte internationale Maasgebiet. Die besondere Lage im grenzüberschreitenden Kontext macht das Untersuchungsgebiet zu einem spannenden Beispiel für transnationale Wasserkooperation.
Das Rurtalsystem spielt zudem eine Schlüsselrolle in der regionalen Wasserwirtschaft: Es gewährleistet die Versorgungssicherheit, schützt vor Hochwasser und beeinflusst die Abflussdynamik bis in die Niederlande. Aufgrund seiner vielfältigen Funktionen – von Energieerzeugung über Erholung und Naturschutz bis hin zur Trinkwasserversorgung – eignet es sich ideal als Fallbeispiel für ein komplexes System mit unterschiedlichen Interessen.
Welche konkreten Ziele verfolgen Sie mit Ihrer aktuellen Forschung?
Ziel meiner Arbeit ist es, das Management der Stauseen im Rur-Einzugsgebiet so weiterzuentwickeln, dass sie künftig besser auf Herausforderungen wie Klimawandel, gesellschaftliche Veränderungen und wachsende Nutzungskonflikte reagieren können. Dazu analysiere ich zunächst, wie anfällig die derzeitigen Managementstrategien gegenüber Extremereignissen – etwa Starkregen oder Dürren – sowie gegenüber langfristigen Entwicklungen wie demografischen Veränderungen, landwirtschaftlichem Wandel oder steigenden Umweltanforderungen sind.
Darauf aufbauend sollen die bestehenden, meist erfahrungsbasierten Betriebsregeln in ein modernes, bedarfsorientiertes und widerstandsfähigeres Steuerungskonzept überführt werden. Dabei betrachte ich nicht nur die Effizienz einzelner Talsperren, sondern auch ihr Zusammenspiel im Gesamtsystem, mit dem Ziel, Hoch- und Niedrigwassersituationen besser zu bewältigen, ökologische Mindestanforderungen einzuhalten und gleichzeitig die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Die zentralen Fragen meines Projekts sind:
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Wie beeinflussen die Eifel-Stauseen die hydraulische Stabilität im internationalen Maas-Einzugsgebiet?
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Welche Anforderungen sind für einen nachhaltigen und klimaresilienten Betrieb der Talsperren entscheidend?
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Wie lassen sich ökologische, ökonomische und gesellschaftliche Bedürfnisse und Anforderungen in ein Managementmodell übertragen?
Methodisch basiert das Projekt auf vier Bausteinen: einer systematischen Literaturauswertung internationaler Betriebsstrategien, einer Stakeholder-Analyse mit Interviews und Workshops, der numerischen Modellierung und Optimierung des Stauseebetriebs – einschließlich KI-gestützter Verfahren – sowie der Übertragung der Ergebnisse auf andere Systeme.
Wie fügt sich Ihre Arbeit in das JCAR ATRACE-Programm und seine Ziele ein?
Mein Projekt trägt direkt zu den Zielen von JCAR ATRACE bei, indem es klimaresilientes Wassermanagement in einer grenzüberschreitenden Region untersucht. Zwar liegen die zu analysierenden Talsperren auf deutscher Seite, doch ihr Einfluss reicht bis in die Niederlande. Eine enge Zusammenarbeit mit Stakeholdern aus Belgien und den Niederlanden ist daher unerlässlich. Die Kombination aus technischer Innovation, wissenschaftlicher Analyse und regionaler Kooperation unterstützt die übergeordneten Ziele des Programms: Resilienz stärken, Wissen teilen und internationale Zusammenarbeit fördern.
Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie bei der Durchführung Ihrer Forschung im grenzüberschreitenden Kontext?
Der transnationale Charakter meiner Forschung eröffnet große Chancen – insbesondere durch die Vielfalt an Perspektiven, institutionellen Erfahrungen und technischen Ansätzen. Der internationale Austausch liefert wertvolle Impulse für innovative Lösungen und fördert das gegenseitige Lernen.
Gleichzeitig stellen unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen, institutionelle Zuständigkeiten und Fragen der Datenverfügbarkeit Herausforderungen dar. Diese erfordern sorgfältige Abstimmung, bieten aber auch die Möglichkeit, neue Formen der Kooperation zu entwickeln. Insgesamt sehe ich den grenzüberschreitenden Kontext nicht als Hindernis, sondern vielmehr als Motor für kooperatives und nachhaltiges Wassermanagement.
Wie fügt sich Ihre Forschung in die Partnerschaften zwischen regionalen Behörden und akademischen Einrichtungen ein?
Mein Projekt ist eng mit regionalen und grenzüberschreitenden PartnerInnen aus Wissenschaft, Verwaltung und Praxis vernetzt. Im Zentrum steht die Zusammenarbeit mit dem Wasserverband Eifel-Rur, dem zentralen Betreiber der Talsperren. Diese enge Kooperation ermöglicht den direkten Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis – etwa durch die gemeinsame Entwicklung und Validierung neuer Betriebsstrategien.
Darüber hinaus findet ein Austausch mit weiteren Stakeholdern statt, darunter Behörden, Kommunen, Unternehmen, Umweltorganisationen sowie Institutionen aus den Niederlanden und Belgien. Ihre Perspektiven werden systematisch durch Interviews, Workshops und Diskussionen in die Forschung eingebunden. Diese partnerschaftliche Zusammenarbeit überbrückt die Kluft zwischen wissenschaftlicher Modellierung und den Anforderungen der betrieblichen Praxis und Politikgestaltung.
Inwiefern kann Ihre Forschung Einfluss auf die Politikgestaltung nehmen?
Meine Arbeit liefert eine fundierte Entscheidungsgrundlage für die Weiterentwicklung von Betriebsstrategien und Planungsinstrumenten im Wassermanagement. Durch die Kombination aus Szenarienentwicklung, numerischer Modellierung, Beteiligung von AkteurInnen und KI-gestützter Optimierung entstehen konkrete, praxisnahe Empfehlungen. Diese können unmittelbar in wasserwirtschaftliche Leitlinien, Managementpläne und Klimaanpassungsstrategien einfließen.
Gerade nach den Hochwasserereignissen im Sommer 2021 ist deutlich geworden, dass resiliente, flexible und vorausschauende Ansätze dringend erforderlich sind – sowohl für den Hochwasserschutz als auch für die Versorgungssicherheit in Trockenzeiten. Mein Projekt zeigt, wie eine gezielte Anpassung des Betriebsmanagements nicht nur Risiken minimieren, sondern auch ökologische und gesellschaftliche Ziele besser in Einklang bringen kann.
Angesichts der Vielzahl an AkteurInnen im JCAR ATRACE-Programm: Auf welche Interaktionen freuen Sie sich besonders?
Ich freue mich besonders auf den interdisziplinären Austausch mit anderen DoktorandInnen und Forschenden innerhalb von JCAR ATRACE. Es ist äußerst wertvoll, über den eigenen Forschungskontext hinauszuschauen – etwa um zu sehen, wie andere Regionen ähnliche Herausforderungen bewältigen, welche Instrumente dort erfolgreich eingesetzt werden und wo sich Synergien ergeben.
Besonders spannend finde ich Diskussionen über innovative Ansätze wie die Integration von Frühwarnsystemen oder den Einsatz von KI im Wassermanagement. Der Austausch mit ExpertInnen aus unterschiedlichen Disziplinen und Ländern eröffnet nicht nur neue Perspektiven für mein eigenes Projekt, sondern fördert auch die Entwicklung gemeinsamer, grenzüberschreitender Lösungen im Sinne einer stärkeren Resilienz.
Welche langfristigen Auswirkungen erwarten Sie von Ihrer Forschung auf regionale Klimastrategien?
Langfristig soll meine Forschung dazu beitragen, dass Stauseesysteme nicht mehr isoliert betrachtet, sondern als integraler Bestandteil einer umfassenden, klimaangepassten Raum- und Wasserplanung verstanden und betrieben werden. Die entwickelten Betriebsstrategien sollen nicht nur technische Anforderungen erfüllen, sondern auch gesellschaftliche Akzeptanz, ökologische Verträglichkeit und wirtschaftliche Tragfähigkeit berücksichtigen.
Indem konkrete Kriterien und Instrumente für ein flexibles, adaptives Management bereitgestellt werden, kann meine Forschung als Modell für andere Regionen dienen – insbesondere dort, wo Talsperren ähnliche multifunktionale Aufgaben übernehmen und ebenfalls vor komplexen Herausforderungen stehen. Das Projekt hat das Potenzial, nationale wie internationale Anpassungsstrategien anzustoßen und die Resilienz wasserwirtschaftlicher Systeme gegenüber dem Klimawandel strukturell zu stärken.
Welche wissenschaftlichen oder technologischen Durchbrüche erhoffen Sie sich während Ihrer Promotion?
Ich rechne mit wesentlichen Fortschritten in den Bereichen hydrologische Vorhersagemodelle, KI-gestützte Optimierung und dynamische Steuerung technischer Systeme. Besonders vielversprechend ist die Kombination dieser Technologien mit partizipativen Ansätzen – also die Verknüpfung datenbasierter Modelle mit dem Erfahrungswissen und den Bedürfnissen lokaler Akteure und Akteurinnen.
Ziel ist es, praxisnahe und gleichzeitig wissenschaftlich fundierte Werkzeuge zu entwickeln, die BetreiberInnen von Stauseen befähigen, flexibel auf eine Vielzahl möglicher Zukunftsszenarien zu reagieren – sei es in Echtzeit oder vorausschauend. Technologische Innovation wird dabei nicht als Selbstzweck verstanden, sondern als Mittel, um Resilienz, Transparenz und Entscheidungsfähigkeit in komplexen Wassermanagementsystemen zu stärken.
Mit welchen Herausforderungen rechnen Sie angesichts der sich weiter verändernden Klimabedingungen? Und wie wird sich Ihre Forschung daran anpassen?
Der fortschreitende Klimawandel bringt zunehmende Unsicherheiten mit sich: Extremereignisse treten häufiger auf, saisonale Muster verschieben sich und konkurrierende Nutzungsansprüche nehmen zu. Diese Dynamik stellt traditionelle Betriebsstrategien vor erhebliche Herausforderungen – insbesondere dann, wenn sie auf festen Erfahrungswerten oder historischen Abflussregimen beruhen.
Meine Forschung begegnet diesen Unsicherheiten mit einem adaptiven und robusten Ansatz: Die Kombination aus Szenarienentwicklung, lernenden Modellen und enger Einbindung der Stakeholder soll ein flexibles Steuerungskonzept schaffen, das auch unter veränderten Bedingungen zuverlässig funktioniert. Dabei werden sowohl technische Anpassungen als auch institutionelle und gesellschaftliche Entwicklungen berücksichtigt – im Sinne einer ganzheitlichen, zukunftsorientierten Wasserwirtschaft.